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Grün - ein Muss in der Zukunftsstadt Berlin

Replik des Landesverbandes der Gartenfreunde Berlin auf einen Zwischenruf

In einem offenen Brief hat sich Arne Piepgras, Geschäftsführer der Gerichtstraße 65 GmbH, am 21. April 2018 an Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher gewandt. Darin schlägt er vor, sämtliche städtische Kleingartenanlagen abzuräumen, sie ins brandenburgische Umland zu verlagern und die freigewordenen Flächen für den Wohnungsbau zu nutzen.

 

Eine Idee, die im Detail und in der Argumentation so viel Unverstand enthält, dass man sich fragt, wie ernst sie gemeint sein kann. Angesichts der gewählten, bewusst auf große öffentliche Wirkung ausgelegten Form, scheint Herr Piepgras mehr an Aufmerksamkeit, als an Lösungen interessiert zu sein.

 

Betrachten wir die Fakten: Die Abräumung von Kleingartenflächen für Wohnungsbau und Infrastruktur findet seit Jahrzehnten statt; wie sich am Beispiel des Wilmersdorfer Kleingartenvereins Oeynhausen zeigt, auch gegen den Willen der Bürger. Die Berliner Kleingärtner haben sich dennoch in der Vergangenheit einer sinnvollen Stadtentwicklung nicht verweigert und werden dies auch in Zukunft nicht tun. Im Gegenteil, sie stehen mehr denn je zu Gesprächen bereit. Unsere Landesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag eine klare Aussage zum Umgang mit Kleingartenflächen getroffen. „Kleingärten werden dauerhaft gesichert. Wenn der Schutz nicht möglich ist, sind Ersatzflächen in räumlicher Nähe zu schaffen.“ Man mag damit als Investor nicht einverstanden sein, schließlich zeigt Herr Piepgras auf, welche monetären Verdienstmöglichkeiten innerstädtische Flächen bieten. Seine Beweggründe sind klar benannt: Da Berlin im Rahmen der aktuellen Wohnungspolitik selbst am Markt agiert, sieht er sich unliebsamer Konkurrenz gegenüber und benötigt Ausweichflächen.

 

Doch dies ist aus Sicht der Berliner Kleingärtner keine ausreichende Legitimation, den Koalitionsvertrag und das innerstädtische Grün der Gartenfreunde im Grundsatz in Frage zu stellen. Im Gegenteil, gerade angesichts dieser Betrachtungsweise ist die bereits beschlossene Erarbeitung eines neuen Kleingartenentwicklungsplans bis Ende 2018 umso wichtiger.

 

Es ist die Rede von einem „stolzen Überschuss“ in Höhe von 15 Milliarden Euro, wenn die städtischen Kleingartenflächen überbaut werden. Eine Behauptung, die in sich aber zusammenstürzt, wenn man sich im Detail damit beschäftigt. Weder sind alle Flächen als Bauland ausgewiesen, noch liegen alle Flächen so attraktiv, dass man die genannten Preise erzielen könnte. Der Widersinn wird noch deutlicher, wenn man den Vorschlag betrachtet, aus dem vermeintlichen Überschuss Flächen aufzuforsten und neue Grünanlagen anzulegen. Warum man öffentliche Grünanlagen – denn Kleingärten sind öffentliches Grün! – planiert, um mit den erzielten Gewinnen Grünanlagen zu schaffen, erschließt sich wohl nur einem Investor.

 

Und ein Investor wird sicherlich auch weiter denken. Schließlich sind Kleingärten nicht die einzigen zu entwickelnden innerstädtischen Areale. Folgt man der Argumentation, ließe sich allein mit der Bebauung des Tiergartens ein Erlös von 2,1 Milliarden erzielen. Tempelhofer Feld oder auch die Staatsforsten – immerhin teilweise mit herrlichem Uferanschluss – sind sicherlich weitere Möglichkeiten für satte Einnahmequellen.

 

Herr Piepgras schlägt in seinem offenen Brief eine Gerechtigkeitsdebatte vor. Die Einladung nehmen wir gern an und müssen dabei anfänglich doch wieder auf sein Ausgangsthema zurückkommen: das Geld.

 

Obwohl wir in Berlin in jedem Kiez sehen, dass der Kaufpreis von Neubauwohnungen eher bei 5.000 Euro pro Quadratmeter liegt, geht der Investor davon aus, dass eine 100 qm Wohnung für 300.000 Euro im Angebot sei. „Viele Berliner können sich solch eine Wohnung leisten“, behauptet Herr Piepgras. Eine These, so irrig, wie der zugrunde gelegte Quadratmeterpreis.

 

Aber Gerechtigkeit darf aus unserer Sicht nicht auf die Finanzen reduziert werden. Wir brauchen eine gerechte und zukunftsgerichtete Stadtentwicklung. Der Senat hat die Herausforderungen der Zukunft erkannt und nicht nur den StEP Wohnen, sondern auch den StEP Klima beschlossen. Bereits die letzten Jahre haben gezeigt, dass Berlin von den Folgen des Klimawandels besonders stark betroffen ist. Und entsprechende Gegen- und Ausgleichsmaßnahmen werden – auch unter Einbeziehung der Empfehlungen des StEP Klima – bereits jetzt von den Kleingärtnern umgesetzt. Mitten in der Stadt, wo die Ausgleichsfunktion von Grün benötigt wird. Auf Ausgleichsflächen am Stadtrand kann der Starkregen in der Innenstadt so wenig versickern wie auf begrünten Dächern.

 

Es kann nicht gerecht sein, dass die Bevölkerung in einer Stadt leben muss, in der jedes Jahr mehr Hitzetote zu beklagen sind. Es kann nicht gerecht sein, dass die Bevölkerung in einer Stadt leben muss, in der die Natur und Artenvielfalt nur noch am Rande existieren.

 

Die enge Verzahnung der Berliner Kleingärten mit der Bevölkerung, etwa als Begegnungsstätte für Junge und Alte, Einheimische und Zugewanderte und als wohnortnahe Freizeitbetätigung, wurde bis jetzt noch gar nicht erwähnt. Ebenso die Vernetzung mit Schulen und Kitas, um Kindern und Jugendlichen einen Zugang zur Natur und gesunden Lebensmitteln zu ermöglichen. Das Kleingartenwesen steht für viel mehr als nur beanspruchte Flächen.

 

Herr Piepgras ist sich „völlig darüber im Klaren“, dass sein Vorschlag auf erbitterten Widerstand stoßen wird. Angesichts der fragwürdigen Ausrichtung seines „Lösungsvorschlags“, ist dies keine überraschende Erkenntnis. Die Frage ist nur, warum er dennoch diesen Aufwand treibt.

 

Kreative Ideen und Nachverdichtung als eine Lösung des Wohnraumproblems kommen für Herrn Piepgras nicht in Frage. Und obwohl Aldi, Rewe und auch Lidl nicht nur planen, sondern bereits Projekte zur Nachverdichtung der Einzelhandelsflächen realisieren, stellt er diese Idee grundsätzlich in Frage. Wahrscheinlich, weil die genannten Firmen keine Investoren wie ihn für die Umsetzung brauchen.

 

Die Bedeutung innerstädtischen Grüns ist unbestritten. Auch die Bundesregierung hat sich mit dem Weißbuch „Grün in der Stadt“ dazu positioniert und die Grünflächen als wichtigen Bestandteil der sozialen Infrastruktur einer Stadt definiert.

 

Es bleibt also zum Schluss nur die leicht zu beantwortende Frage, warum Herr Piepgras Grün planieren will. Geht es wirklich um Gerechtigkeit oder doch eher um Profit und Bauland zu Lasten der Berlinerinnen und Berliner?

 

Der Vorstand

 

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